Lamsenspitze „Solo-40ger“
Klettern im Karwendel am 29.07.2020
Eigentlich wollte ich nur die klassische NO-Kante an der Lamsenspitze klettern. Doch Gregor hatte einen besseren Vorschlag: Die benachbarte Route „Solo-40ger“, die etwas mehr Kletteranspruch versprach.
Als mein Sektionskollege Gregor und ich morgens um acht in der Eng (1203m) aus dem Auto stiegen, hingen die Berge ringsherum in dichten Wolken. Irgendwie war das alles grauer als erwartet. Und der Boden auch deutlich nasser. Wie es wohl oben am Fels sein würde? Um das herauszufinden, würde nur nachschauen helfen. Zur Not könnten wir ja immer noch zur leichteren Kante wechseln.
Da mir ein auskurierter Infekt noch etwas nachhing, war ich im Aufstieg ziemlich langsam. 2,5 h brauchten wir für die 900 Höhenmeter. Na ja. Während wir an der Binsalm vorbei zum Westlichen Lamsenjoch (1940m) wanderten, zog es von Westen her allmählich auf. Würde es doch noch schön werden? Doch dann am Einstieg der Solo-40ger (Beschreibung & Topo) hingen wir erst mal im Nebel. Und zugig war es auch. Also erst mal Jacke an, Helm auf und Pause.
Immerhin, der Fels war größtenteils trocken. Also probieren wir es. Zur Not könnten wir nach der zweiten Länge immer noch in die einfachere Kante wechseln.
Gregor stieg in die erste Länge ein. Zwei Aufschwünge im vierten Grad, der Rest leichter. Den zweiten dieser Aufschwünge in eine Rinne, fand ich gar nicht so ohne. Aber gut, auf den ersten Metern fühlt sich alles schwer an.
Länge zwei führte mich dann zu einem steilen Pfeiler. Den könnte man leicht umgehen, aber wir waren ja nicht zum umgehen hier, sondern zum klettern. Also steil hinauf über Blöcke (IV) zu einer netten Rissplatte. Danach war ich dann auch schon am Stand.
Dann stand die dritte Länge an mit dem steilen Riss (V+) als Schlüsselstelle. Gregor durfte feststellen, dass der innen noch nass war, was die ganze Sache deutlich erschwerte. Rotpunkt war eher nicht und mithilfe von einem Friend und zwei Trittschlingen bewältigte er die steilste Stelle. Den Rest kletterte er dann sauber mit feiner Risstechnik.
Dann war ich dran. Da ich Hand- und Faustklemmen irgendwie nicht gescheit kann, versuchte ich mich gar nicht erst an freier Kletterei, sondern mogelte mich mithilfe der Schlingen zum Friend hoch. Ab da ging es dann sogar recht ordentlich. Bis mir der Fuß aus der Klemmung rutschte und ich ca. 1m ins Seil rutschte. Nicht schlimm, nur ärgerlich. Aber warum war der Fels so rot? Ich suchte alle Gliedmaßen ab. Aha, aus Ring- und kleinem Finger der linken Hand floss es fröhlich heraus. Die beiden Löcher sahen gar nicht groß aus, aber es blutete halt ziemlich stark. Na ja, hier konnte ich nicht viel dagegen tun, also weiter zum Stand, roter Markierungen hinterlassend. Dort holte dann Gregor das Erste-Hilfe-Pack aus meinem Rucksack und konnte mir jeweils zwei Pflaster auf die Finger kleben.
Nachdem also die Löcher in den Fingern geflickt waren, war ich auch wieder mit Vorsteigen dran. Länge vier begann mit einem steilen Aufschung in eine schwach ausgeprägte brüchige Rinne (IV). Es folgte noch ein steiles Stück (IV+) und zum Abschluss eine kleingriffige und -trittige Querung nach rechts (V-).
Die Route wurde 1998 von Paul Gürtler solo und in Turnschuhen erstbegangen und ein paar Jahre später dann vorsichtig saniert. An den Ständen gibt es jeweils einen Normbohrhaken und ein älteres Modell (diese Dinger mit den geknickten rechteckigen Metalllaschen), dazwischen nur wenige weitere Bohrhaken, die stets konsequent vor oder nach einer anspruchsvollen Stelle gesetzt wurden. Man muss also schon sauber steigen, zumal selber Sicherungen legen nicht überall möglich ist.
Dementsprechend fand ich die Länge mental gar nicht ohne. Außerdem taten mir an der linken Hand die Finger weh und bluteten auch bald wieder leicht. Nun ja, ein bisschen Abenteuer…
Die fünfte Seillänge war dann noch mal so ähnlich (IV/IV+), bevor ich in der sechsten die Rinne nach links verlassen durfte (IV/IV+). Da wurde der Fels dann auch allmählich besser, was für die Nerven nicht schlecht war. Nun hatten wir die Hauptschwierigkeiten hinter uns und konnten in Länge acht auf die Nordostkante einbiegen.
Nach insgesamt elf Seillängen erreichten wir den Vorgipfel zusammen mit einer Seilschaft, die die Kante geklettert war. Während die anderen Beiden gleich weiter gingen, machten wir hier Pause. Raus aus den Kletterschuhen. Die ganze Schlosserei ablegen. Und was essen und trinken. Eine gute Sache, so eine Pause.
Dann gingen wir hinüber zum Hauptgipfel der Lamsenspitze (2508m), wo es dann auch endlich mal aufzog und wir ein bisschen Aussicht hatten. Schön. Und da es mittlerweile auch schon kurz nach fünf war, machten wir uns auch bald an den Abstieg zurück zur Lamsenhütte.
Zügig ging es bergab über Klettersteig und Geröll während sich die Berge ringsherum allmählich frei machten von ihrem Wolkenkleid. Bei schöner Abendstimmung kamen wir an der Hütte an. Dort gab es dann für jeden von uns noch ein Bier und einen Teller Nudeln. Wolverdient. Und danach ging es wieder zurück in die Eng, wo wir kurz nach acht eintrafen. Schön war es mal wieder gewesen im Gebirge und an der Solo-40ger. Und ein bisschen abenteuerlich auch. Halt so, wie es sein soll.
Hannes Gostner
Tourenberichte